Esther  Müller

Esther Müller Schopfheim View centre

Dyskalkulie

Esther  Müller

Esther Müller Schopfheim View centre

13 Oktober 2022

Für viele Schülerinnen und Schüler ist Mathe ein ungeliebtes Fach, doch für so manch einen wird es zum Horrorfach. Schnell wird von Dyskalkulie gesprochen, wenn ein Kind die Zahlen durcheinanderwirft. Aber was genau ist eigentlich Dyskalkulie und wie können Eltern ihr Kind unterstützen? Wir haben mit Esther Müller gesprochen. Sie ist diplomierte Legasthenie- und Dyskalkulietrainerin (EÖDL) und leitet das KUMON-Lerncenter in Schopfheim.

Im Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen und welchen Unterschied sie zwischen Dyskalkulie und Rechenschwäche sieht.

Was ist Dyskalkulie genau?
Mit Dyskalkulie oder Rechenschwäche wird eine Störung im Erwerb grundlegender Rechenfertigkeiten bezeichnet. Selbst einfachste Rechenaufgaben werden nicht bewältigt. Eine echte Dyskalkulie hat biogenetische Ursachen. Sie kommt in allen Bevölkerungsschichten vor und hat nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun. Der Dyskalkulie liegen Defizite in den einzelnen Bereichen der Sinneswahrnehmungen zugrunde.

Diese Störungen werden auch Teilleistungsstörungen genannt. Kinder mit Dyskalkulie sind zeitweise unaufmerksam und daher entstehen Wahrnehmungsfehler. Oft bemerken Eltern erst am Anfang der ersten oder zweiten Klasse, dass ihr Kind Rechenprobleme und eventuell eine Dyskalkulie hat. Manche Kinder haben allerdings eine erworbene Rechenschwäche, die durch psychische oder physische Ursachen hervorgerufen wird. Diese sind tatsächlich rechenschwach, leiden jedoch nicht an Dyskalkulie. Eine Rechenschwäche kann auch auf eine ganze Reihe anderer Ursachen zurückzuführen sein. Beispiele dafür sind: Eine mangelnde Intelligenz, mangelhafte Beschulung oder aber auch bestimmte schwerwiegende Lebensereignisse des Kindes, die wiederum psychische Probleme verursachen. Eine Rechenschwäche kann also auch erworben werden.

Wie weit ist Dyskalkulie Ihrer Meinung nach in Deutschland verbreitet?
Dyskalkulie ist eine weit verbreitete Rechenschwäche. Verschiedene wissenschaftliche Studien gehen davon aus, dass etwa zehn bis fünfzehn Prozent aller Grundschulkinder von Dyskalkulie betroffen sind.

Was raten Sie Eltern?
Kinder mit Dyskalkulie sollten frühzeitig gefördert werden. Für die Dyskalkulie gilt: Je früher Hilfe einsetzt, desto schneller zeichnen sich Erfolge ab. Werden die Probleme in der Grundschulzeit nicht wahrgenommen, um diese mit Hilfe von Förderung bestmöglich einzudämmen, ergeben sich vor allem Schwierigkeiten in den Fächern Physik, Chemie, Informatik und in der höheren Mathematik. Betroffene Kinder, denen nicht geholfen wird, neigen zu Schulverweigerung, psychosomatischen Erkrankungen, Verhaltensstörungen und vielem mehr. Tatsächlich kann eine lang ignorierte Dyskalkulie eine ganze Palette an Störungen hervorrufen. Diese Störungen dann zu bekämpfen, erweist sich als sehr schwer. Daher ist es wichtig, betroffenen Kindern frühzeitig zu helfen, zumal eine frühe Förderung viel erfolgreicher ist als eine späte Förderung im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter.

Dyskalkulie kann, durch Förderung in jungen Jahren, erheblich verbessert werden, sodass es in einigen Fällen sogar möglich ist, Dyskalkulie mit viel Geduld und Übung ganz zu überwinden.

Wie begegnen Sie Dyskalkulie in Ihrem Lerncenter?
Nach vielen schulischen Misserfolgen müssen die Kinder ihr Selbstwertgefühl oft erst wieder aufbauen. Wir erreichen dies, indem wir systematisch und strukturiert, mit einem für jedes einzelne Kind zugeschnittenen Lernplan, arbeiten. Die Lernfortschritte der Kinder und ihre neu gewonnenen mathematischen Fähigkeiten werden von uns mit viel Lob gewürdigt. Die Kinder beginnen zunächst mit leichten Rechenoperationen, um die grundlegenden Rechenfertigkeiten zu festigen, auf die weiterfolgend und langfristig aufgebaut werden kann. Das schafft bei den Schülern Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und ist wichtig für eine effektive Förderung unserer Schüler/innen. Um definitiv beurteilen zu können, ob ein Kind möglicherweise Dyskalkulie hat, benötigt es einer längerfristigen Beobachtung des Kindes während es die Rechenaufgaben bearbeitet. Man muss eine/n Schüler/in also erst länger kennen, um sich ein Urteil bilden zu können.

Wie kann KUMON helfen?
Kinder mit einer Dyskalkulie oder mit einer erworbenen Rechenschwäche benötigen ein sehr intensives Rechentraining. Denn auch in der Mathematik gilt die Devise "Übung macht den Meister". Jedes Kind muss, um rechnen zu können, das Rechnen auch üben. Daher ist die KUMON-Methode, mit den intensiven täglichen Rechenübungen, die ideale Förderung für rechenschwache Kinder. Außerdem verbessert die Methode die Konzentrationsfähigkeit und die Aufmerksamkeit der Kinder. In meinem Lerncenter gebe ich rechenschwachen Schüler/innen anfangs leichte Rechenaufgaben, um so ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Wir zeigen den Kindern zum Beispiel verschiedene Rechenstrategien.

Oftmals entscheiden die Kinder sich für eine Strategie, mit der sie gut zurechtkommen und die sie dann immer anwenden. Das Rechentraining bei uns erfolgt in Schritten. Jeder der Schritte muss ausreichend erfasst und gespeichert werden. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel erst gründlich die Addition üben bevor wir zum nächsten Thema der Subtraktion übergehen. Das Gleiche gilt für die Multiplikation und die Division. Es ist wichtig, dass das Erlernen und Vertiefen der Rechenfertigkeiten langsam und stetig passiert, um so einen langfristigen und andauernden Erfolg zu erzielen. Wir lassen die Schüler bei jedem Lerncenterbesuch die Zahlentafel (Magnettafel mit Zahlen von eins bis hundert) legen, um so das Zahlenverständnis der Schüler zu verbessern. Jüngere Schüler üben zunächst mit der Zahlentafel bis 30, im nächsten Schritt bis 50 und wenn die Kinder diese sicher beherrschen, legen sie die Hunderterzahlentafel. Denn ohne ein Zahlenverständnis kann ein Kind nicht rechnen. Ein Kind muss zum Beispiel wissen, dass die 89 vor der 90 kommt.

Außerdem üben wir mit den jüngeren Schüler/innen mit Karten auf denen Zahlen stehen, die sie uns dann benennen. Bevor die Kinder Rechenaufgaben schriftlich lösen, kennen sie die Zahlen von eins bis hundert bereits. Da das korrekte Erfassen von Punktmengen zur Förderung der visuellen Wahrnehmung und der kognitiven Fähigkeiten sehr wichtig ist, üben wir auch die Punktmengenerfassung mit Hilfe von Karten, die jeweils mit einer unterschiedlichen Anzahl von Punkten bedruckt sind. Die Kinder müssen uns dann die richtige Anzahl der Punkte sagen. Die Menge der Punkte soll nicht abgezählt, sondern mit einem Blick erkannt werden, denn ein rechenschwaches Kind hat keine Vorstellung von Mengen und Größen. Daher muss dies intensiv geübt werden. Außerdem arbeite ich eng mit den Eltern rechenschwacher Schüler/innen zusammen, führe oft Elterngespräche und rate den Eltern dyskalkuler Kinder, zusätzlich bestimmte Karten- und Brettspiele mit ihren Kindern zu spielen, um die Wahrnehmungen und Konzentration dieser Kinder unterstützend zu verbessern.

Ein vermehrtes Üben bei Schüler/innen mit Dyskalkulie ist unumgänglich. Die betroffenen Kinder brauchen sehr viele Wiederholungen der fördernden Arbeitsmaterialien. Mit einer guten und rechtzeitigen Förderung und vielen Rechenübungen können sich auch diese Kinder enorm verbessern.

Vielen Dank für das Interview!